Immer mehr Studiobetreiber setzen auf farbige Bänder, bunte Bälle, Sandsäcke und sonstige „Spielsachen“, die irgendwo auf der sogenannten Athletikfläche verteilt sind. Einige Sportler, meistens eher die erfahrenen unter den Mitgliedern, trauen sich an diese „bunte Versuchung“. Eher wenige sportaffine Damen versuchen sich ebenfalls an den doch teilweise sehr anspruchsvollen Übungen. Viele andere schauen eher skeptisch auf diesen Bereich oder werden von den Trainern mit den Worten empfangen: „Das ist funktionelles Training, das ist am Anfang noch nichts für dich.“ Wie Clubbetreiber Functional Training bestmöglich in ihren Club integrieren können, weiß body LIFE-Autor Marc Rohde.

Aber was ist funktionelles Training eigentlich? Wenn ich es in Kürze definieren sollte, was kaum möglich ist, würde ich sagen: „Beim funktionellen Training werden Muskelketten mit teilweise sehr komplexen Bewegungsabläufen trainiert, um diverse bedarfsorientierte Fähigkeiten zu erwerben. Es erfordert aufgrund sehr individueller Bedürfnisse der Teilnehmer eine präzise Trainingssteuerung.“ Die „alten Hasen“ der Szene, wie zum Beispiel Gray Cook, Mark Verstegen und Michael Boyle, definieren funktionelles Training ähnlich. Das in dem Zusammenhang sehr gern verwendete Wort „alltagsnah“ ersetze ich durch „bedarfsorientiert“. Man sollte genau hinschauen, was der Trainierende tatsächlich benötigt, um den aktuellen Status zu verbessern. Während ambitionierte Sportler ihre Athletik verbessern möchten, steht bei Senioren das Ziel im Vordergrund, ihre Mobilität und Selbstständigkeit zu erhalten. Genau diese unterschiedlichen Ziele müssen beim Aufbau der Kursstruktur beachtet werden.

Wäre dies ein Artikel, der die Trainingsarten und unterschiedlichen Methoden erläutern würde, müsste man noch deutlich tiefer in die Definition des funktionellen Trainings eintauchen. Hier geht es aber darum, zu erläutern, welche Faktoren den Aufbau einer funktionierenden Kursstruktur beeinflussen. Zu diesem Zweck kann man mit dieser Definition ausreichend arbeiten. Denn viele beschäftigen sich fälschlicherweise ausschließlich mit dem Wort „funktionell“ und vergessen dabei das Wort „Training“.

Training ist immer gezielt, geplant und systematisch. Schon allein diese Tatsache sorgt häufig für fragende Gesichter. Denn gerade beim Functional Training ist die Progression ein enorm wichtiger Faktor. Im Gegensatz zum klassischen isolierten Hypertrophietraining, in dem häufig „nur“ das Gewicht erhöht wird, können und müssen beim funktionellen Training alle Anforderungen gesteigert werden, um langfristig einen positiven Trainingseffekt zu haben. Es reicht also nicht, planlos die bunten Trainingsaccessoires auf der Trainingsfläche zu verteilen und die Kunden sich selbst zu überlassen. Wenn es das Ziel ist, langfristig Erfolg mit diesem Training zu haben, so sind ein Konzept und eine geplante Vorgehensweise unerlässlich.

Das sollten Studiobetreiber beachten

Durch meine Tätigkeit als Berater und Ausbilder stehe ich sehr häufig mit Clubbetreibern vor den neu eingerichteten Trainingsflächen. Die Begeisterung ist groß und der Aktionismus auch. Wenn es nun darum geht, den Functional-Training-Bereich zu eröffnen, tauchen regelmäßig folgende Fragen auf:

  • Welche Zielgruppen kann ich mit funktionellem Training erreichen?
  • Wie sollte die Kursstruktur aufgebaut sein und was gilt es dafür zu tun?
  • Wie und wo können die Trainer adäquat ausgebildet werden?

Diese Fragen müssen unbedingt im Vorfeld, also bevor die Functional-Training-Fläche eröffnet wird, beantwortet werden. Denn hinter einem gut geführten funktionellen Trainingsbereich steckt ein größerer Aufwand, als vielen Clubbetreibern bewusst ist.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht macht es am meisten Sinn, als Erstes eine Zielgruppendefinition vorzunehmen. Hierauf baut die gesamte weitere Vorgehensweise maßgeblich auf und entscheidet später auch über die Werbe- und Distributionskanäle (Aushänge im Studio, Flyer, persönliche Ansprache versus Facebook, Instagram und Apps). Folgende Fragen gilt es zu beantworten:

 

  • Wer sind meine Mitglieder (sortiert nach Altersgruppen, Sportarten, Zielen)?
  • Bietet mein Studio eher Kurse oder Flächentraining an?
  • In welchem Segment ist mein Studio positioniert und welche Möglichkeiten bieten die umliegenden Mitbewerber im Bereich des funktionellen Trainings?
  • Wie kann ein Mehrwert mit bestehenden Ressourcen geschaffen werden?
  • Welche neuen Zielgruppen können durch die Functional-Training-Fläche erreicht werden?
  • Wie kann durch das Angebot des funktionellen Trainings die eigene Marke gestärkt werden?

 

Das Angebot auf die Zielgruppe zuschneiden

Wie Sie sehen, müssen erst einmal eine Menge Fragen, die eigentlich zunächst nichts mit funktionellem Training zu tun haben, beantwortet werden. Nur so ist eine geplante und strukturierte Vorgehensweise möglich, um die Angebote sofort wirksam platzieren zu können. Um mit dem bereitgestellten Trainingsequipment Erfolg zu haben, müssen diverse Zielgruppen eines Studios angesprochen werden. Damit das gelingt, sind folgende To-dos notwendig:

  1. Charakterisierung Ihrer Hauptzielgruppen
  2. Erörterung von Bedürfnissen und Wünschen der Zielgruppen/Mitglieder
  3. Entwicklung zielgruppenrelevanter Kurse und Kursbezeichnungen

Neben diesen drei Punkten, die eine positive Betrachtung des Angebotes darstellen, sollten Clubbetreiber genauso viel über die Ängste der Zielgruppen wissen, um diese bei den Angeboten gar nicht erst zu schüren. Hierzu ein Beispiel: Die englische Sprache ist „cool“ und gerade durch den Sport schon sehr alltäglich geworden. Allerdings stellt sich die Frage, ob man mit Angeboten, die nicht verstanden werden, die entsprechende Zielgruppe erreicht. Gerade ältere Menschen finden Englisch eher abschreckend. Das Mitglied soll sich wohl, verstanden und aufgehoben fühlen; bei einer Sprachbarriere ist dies kaum möglich. Auf der anderen Seite sind die affinen Sportler sehr schnell von gesundheitsorientierten Kursbezeichnungen gelangweilt und nutzen lieber Wörter wie „WOD“ (Workout Of The Day), „AMRAP“ (As Many Rounds/Reps As Possible), und „EMOM“ (Each Minute On the Minute).

Auch in diesem Fall sollten die Clubverantwortlichen in der Lage sein, adäquat zu antworten und den Mitgliedern zu geben, was sie wollen.

 

Merke: Zuerst gilt es, die eigene Zielgruppe genau zu kennen, um dann für sie das perfekte Produkt entwerfen zu können!

Festlegung der Trainingsformate

 

Der zweite Schritt sollte nach der Zielgruppendefinition die Festlegung der geplanten Trainingsformate sein. Studiobetreiber müssen also entscheiden, wie das Functional Training angeboten werden soll. Folgende Möglichkeiten sind denkbar:

  1. Functional Training im Groupfitnessbereich
  2. High-Quality-Small-Group-Training
  3. Personal Training

Welches dieser Formate für das jeweilige Studio geeignet ist, lässt sich durch die unten aufgezählten Fragen ganz einfach beantworten. Über allem steht immer die Frage: Was soll durch das Angebot Functional Training eigentlich erreicht werden?

  • Ist es das Ziel, Abwechslung zu bieten?
  • Sollen die ausgelasteten Bereiche entlastet werden?
  • Sollen neue Zielgruppen erschlossen werden?
  • Ist es die Absicht, individuellere Beratung anzubieten?
  • Ist es der Wunsch, das Studio gleichmäßiger auszulasten?

Aus diesen Antworten lässt sich schon im Vorfeld eine hervorragende interne Positionierung vornehmen. Je präziser die Antworten formuliert und ausgearbeitet sind, desto besser kann darauf aufgebaut werden.

  1. Functional Training im Groupfitnessbereich

Wenn der Wunsch die Entlastung des überlasteten Kursraumes ist, bietet sich das Functional Training als hervorragende Alternative an. Hierbei spielt es übrigens keine Rolle, ob der Kurs nun „Athletic Training“ heißt oder „Funktionales Rückentraining“. Warum? Anscheinend lieben Ihre Kunden die Kursform „Groupfitness“ als solche. Sie mögen also Abwechslung, die Interaktion in der Gruppe und die Betreuung durch einen Trainer, der die Qualität bei den auszuführenden Bewegungen sicherstellt. Auch die hohe Trainingsvariabilität sowie die Untermalung durch Musik ist ein Thema. Folgende Vorteile bietet also diese Form der Groupfitness außerhalb des Kursraumes auf der Trainingsfläche:

  • große Anzahl an Trainierenden auf kleinem Raum (Entlastung der Kraftmaschinen und des Kursraumes),
  • effiziente Nutzung der vorhandenen Trainingsmittel und Bedingungen,
  • gute Coachingmöglichkeit durch die Trainer,
  • gewohnte Kursform und somit geringe Schwellenängste der Teilnehmer,
  • neue Kursteilnehmer, wie z.B. Kraftsportler, die ansonsten eher auf der Trainingsfläche trainieren, können gewonnen werden (Förderung der Gemeinschaft),
  • hoher Motivationsfaktor durch Gruppendynamik,
  • hoher Spaßfaktor,
  • die Kunden arbeiten als Multiplikator.

 

  1. High-Quality-Small-Group-Training

Laut einer Umfrage (NASM) empfinden Mitglieder das Training in einer Kleingruppe ebenso qualitativ hochwertig wie das absolute 1:1-Personal-Training. Hinter dieser Form des Kleingruppentrainings verbergen sich also ungeahnte Möglichkeiten für sämtliche Zielgruppen Ihres Studios. Durch die Bündelung der Teilnehmer können Sie ein hochqualitatives Angebot erzeugen, welches nur einen Bruchteil des Personal Trainings kostet und nahezu dieselben Effekte beim Kunden hervorruft. Folgende Vorteile ergeben sich:

  • hochwertige Betreuung,
  • individuelle Anpassung der Übungen, verschiedene Leistungslevel können in einer Gruppe trainieren,
  • hoher Aufmerksamkeitsfaktor pro Teilnehmer,
  • hohe Motivation,
  • überdurchschnittliche Erfolgserlebnisse und dadurch hoher intrinsischer Motivationsfaktor,
  • erhöhte Kontaktzahlen pro Woche,
  • Kunden arbeiten als Multiplikator,
  • bis zu 60% preiswerter als ein Personal Training (je nach Gruppengröße).

 

  1. Personal Training

Personal Training ist nach wie vor die exklusivste und effektivste Form des Trainings. Es ist individuell und in höchstem Maß variabel. Sie schaffen mit der Durchführung von Personal Training auf der Fläche aber auch neue Bedürfnisse. Das klassische „Will-ich-auch-Gefühl“ wirkt! Auch wenn sich ein Teil der Kunden das Personal Training nicht leisten will oder kann, so erregt der Personal Trainer, der mit dem Kunden die besonderen Übungen durchführt, Aufmerksamkeit. Die Vorteile des Personal Trainings:

  • höchster Aufmerksamkeitsfaktor,
  • zeitliche Flexibilität,
  • noch mehr Spaß und Motivation,
  • positive Aufladung der Trainerkompetenz,
  • höchste Trainingserfolge,
  • Kunden arbeiten als Multiplikator.

Es ist vollkommen egal, welche Art des Trainings schlussendlich für Ihr Studio das perfekte Angebot ist. Am Ende kommt es auf den Trainer und seine Fähigkeiten an; diese spalten sich in methodische und soziale Kompetenz. Neben dem Wissen über die Anatomie und Trainingslehre muss er die Fähigkeit besitzen, sich in die Mitglieder hineinzuversetzen und zu verstehen, welche Bedürfnisse vorhanden sind und wie er sie mit seinem Training am besten decken kann. Neben der Grundausbildung sollte der Trainer also Fähigkeiten in Methodik und Didaktik besitzen sowie sein Wissen mit Corrective Exercises vervollständigt haben – egal, ob er als Groupfitnesstrainer oder Personal Trainer tätig ist.

Eine große, internationale Fitnesskette geht als erste offiziell einen ganz neuen Weg. Nach Jahren der Suche nach den Trainern mit der höchsten Fachkompetenz, macht sich Equinox nun auf die Suche nach „Stagern“. Das sind Menschen, die es mit ihren sozialen Skills schaffen, eine Gruppe zu überzeugen und diese in ihren Bann zu ziehen.

 

Anmerkung: DIese Vorgehensweise halte ich für kleine Unternehmen für schwierig, da die nicht vorhandene Fachkompetenz zu wirtschaftlichen Engpässen führen könnte, wenn eben keine geeignete Anzahl von kompetenten Trainern vor Ort ist. Auf der anderen Seite ist es an der Zeit ein „anderes, alternatives Auswahlverfahren fernab spießiger Bewerbungsszenarien zu probieren. Lizenzen, Studiengänge und große Namen für kleine Ausbildungen sind vor Menschen nichts wert und reichen bei weitem nicht aus, um erfolgreich zu sein. Ein Sportwissenschaftler kann sehr wohl in einem Labor für die Forschung arbeiten, wenn er ein Nerd ist, allerdings hat vielleicht so eine qualifizierte Person im Studio als Trainer nichts verloren, selbst wenn er fachlich höher qualifiziert ist. Ich gehe noch einen Schritt weiter: Ich behaupte, dass jeder Betreiber diese Probleme schon einmal in einem Mitarbeiter vorgefunden hat und somit genau weiß, wovon ich spreche!

Wenn Sie weitere Fragen zu einem alternativen Auswahlverfahren haben oder ich sie als Coach und Consultant in diesen Fragen oder bei Bewerbungen vor Ort beraten darf, freue ich mich auf ihre Nachricht unter info@boutique-gym.de

Marc Rohde

Elbsprint | Urban Training

Laut der Markt-Aktivitäten-Reichweiten-Studie (M-A-R-S) 2014/15 sind die Erwartungen von Mitgliedern an ein gutes Fitnessstudio mit über 54,2% an gute Trainingsanleitung bzw. gute Trainer geknüpft. Schon allein deswegen sollten Clubbetreiber großen Wert auf die kontinuierliche Fortbildung der Trainer legen. Nur durch gut geschulte Mitarbeiter ist es in Zukunft möglich, die immer stärker umworbenen Mitglieder langfristig an das Studio zu binden. Durch qualifizierte Trainer wird Folgendes erreicht:

  • Gut ausgebildete Trainer unterstützen die Gesundheit der Mitglieder.
  • Es gibt dem Trainer die Möglichkeit, zu einer Persönlichkeit zu reifen.
  • Gute und motivierte Trainer sichern den langfristigen Erfolg und erhöhen die Kundenbindung.
  • Immer mehr Studios werden für die Mitglieder zu einem Ort, an dem man nicht nur trainiert, sondern Freunde trifft. Stichwort „Socializing“.
  • Trainer werden als Kompetenz aufgebaut und „führen“ ihre Mitglieder durch das Studio.
  • Gut ausgebildete Trainer sind in der Lage, eine komplette Kursstruktur zu entwickeln und ohne externe Mehrkosten diesen Bereich zu entwickeln und zu leiten.
  • Gute Trainer wirken extrem authentisch und stärken die Marke des Studios.
  • Gute Trainer sind authentisch und Spezialisten auf ihrem Gebiet.

 

Fazit

Wenn Sie – aufbauend auf den Ergebnissen einer Zielgruppenanalyse – ein Produkt entwerfen, welches für Ihre Kursstrukturen einsetzbar ist, und Sie zudem Wert auf die Fortbildung Ihrer Trainer legen sowie eine modulare Kursstruktur einführen, steht dem Erfolg Ihres funktionellen Trainingsbereichs nichts mehr im Wege.

Viel Erfolg – und noch wichtiger: viel Spaß!